Kostenmiete vs. Mietenspiegel

Genossenschaften, besinnt Euch!
Genossenschaftliche Wohnungen sind keine Ware!
Nutzungsentgelte sind keine Mieten!
Hört auf Euch am Mietenspiegel zu orientieren – das ist „un-genossenschaftlich“!

Seit dem Auslaufen des Wohngemeinnützigkeitsgesetzes am 31.12.1989 ist etwas grundlegend schiefgelaufen. Seitdem sind Wohnungsgenossenschaften nicht mehr gemeinnützig. Sie müssen nicht mehr für untere Einkommensklassen bauen, sondern können – wie andere private Unternehmen auch – frei auf dem „Wohnungsmarkt“ mitmischen und das tun sie auch. Dabei geben sie sich nach außen sozial. Die Nutzungsentgelte lägen weit unter dem Mietenspiegel, werden die Vorstände nicht müde zu betonen und verknüpfen dabei zwei Dinge, die nicht zusammengehören: Nutzungsentgelt und Mietenspiegel.

Der Mietenspiegel wurde 1974 mit dem 2. Wohnraumkündigungsgesetz als von den Gerichten anerkannter Maßstab zur Ermittlung der „ortsüblichen Vergleichsmiete“ eingeführt. Zuvor waren auf dem „freien Wohnungsmarkt“ Kündigungen als Instrument gang und gäbe, um Mieterhöhungen zu erwirken. Dem versuchte der Gesetzgeber mittels der Einführung des Mietenspiegels[1] einen Riegel vorzuschieben. Kündigungen sollten so begrenzt und Mieten in einem sozial vertretbaren Rahmen gehalten werden.

Nur sind das zwei Probleme, die es bei Genossenschaften nie gegeben hat:

  1. Genossenschaftsmitgliedern kann grundsätzlich nicht gekündigt werden. Als Mitglieder sind Mit-Eigentümer*innen und keine Mieter*innen.
  2. Überhöhte „Mieten“ sind bei Genossenschaften aufgrund ihrer Satzung ausgeschlossen. Ihr Sinn und Zweck war und ist es, preisgünstigen Wohnraum für ihre Mitglieder zu schaffen und zu erhalten.

In der Vergangenheit waren Genossenschaften auch deshalb zu sozialem Wohnungsbau und – erhalt verpflichtet. Seit Wegfall des Wohngemeinnützigkeitsgesetzes ist dies juristisch nicht mehr der Fall. Viele betriebs- bzw. immobilienwirtschaftlich ausgebildete Genossenschaftsvorstände tragen dem Rechnung, indem sie zunehmend marktwirtschaftlicher Logik folgen. Und das bedeutet, dass Nutzungsentgelte am Mietenspiegel anstatt an den tatsächlich anfallenden Kosten orientiert werden.[2] Das aber ist „un-genossenschaftlich“!

Es müsste ganz anders laufen: Neubauten sind in der Regel nach 25 bis 30 Jahren abbezahlt. Danach sollten die genossenschaftlichen Nutzungsentgelte nur noch die Kosten für die Verwaltung und die gesetzlich vorgeschriebenen Instandhaltungsrücklagen abdecken. Sie müssten sich also verringern. Warum tun sie das nicht? (Link zu Text bezüglich Neubau, Bestandszukauf und Mitgliederstruktur)

Wenn nur reale Nutzungsentgelte gezahlt werden müssten, dann hätte das zudem – über die finanzielle Entlastung der Genoss*innen hinaus – erhebliche Auswirkungen auf den Mietenspiegel und damit auf den gesamten Wohnungsmarkt. Denn im Mietenspiegel werden nur Mieten und Nutzungsentgelte berücksichtigt, die in den vorangegangenen sechs Jahren neu dazugekommen oder sich verändert haben. Die Herabsetzung von Nutzungsentgelten würde demnach dazu beitragen, dass auch auf dem freien Wohnungsmarkt die Mieten nicht durch die Decke gehen.

Also, liebe Genossenschaften, besinnen wir uns:  Hören wir auf, uns am Mietenspiegel zu orientieren, ermitteln wir die jeweilige Kostenmiete! Dadurch tragen wir ganz im genossenschaftlichen Sinne gesamtgesellschaftlich dazu bei, Wohnraum nicht zur Ware verkommen zu lassen. Wohnungen sind Lebensgrundlage! Und wenn die für alle gewährleistet ist, kommt das allen zugute!


[1] Bis zum 30. Juni 2022 war der Mietenspiegel allerdings nicht verpflichtend. Aufgrund des Mietreformgesetzes müssen Kommunen mit über 50.000 Einwohnenden seitdem mindestens einen einfachen Mietenspiegel erstellen. In Hamburg wird ein qualifizierter Mietenspiegel bereits seit 1976 erhoben.

[2] Immer häufiger übersteigen die genossenschaftlichen Nutzungsentgelte sogar den Mietenspiegel und das sind keine Einzelfälle.